Unser Schreiben an den Bezirksstadtrat Andreas Otti (AfD) auf seine schriftliche Reaktion zu unserer Petition:
Sehr geehrter Herr Otti,
mit unserer Petition haben wir Ihnen gegenüber detailliert und fundiert auf die äußerst problematische Situation am Groß Glienicker See aufmerksam gemacht. Die natürlich bewachsenen Uferbereiche sind durch die Begehung von Badegästen in einem schlechten Zustand, hinzu kommt der in kürzester Zeit massiv gefallene Wasserstand des Sees. Angesichts dieser dramatischen Lage den Inhalt unserer Petition unberücksichtigt zu lassen und als bloße Information im Rahmen der Auseinandersetzung um die Stege abzutun, spricht leider nicht für ein verantwortungsvolles Agieren Ihrer Behörde. Ihr Verhalten ist sehr bedauerlich. Auch die Tatsache, dass Sie unser Gesprächsangebot nicht annehmen, ist mehr als enttäuschend. Das sachlich geführte Gespräch, der Austausch von Argumenten – all das kann der guten Sache nur dienlich sein.
Ein solches selbstverständliches Anliegen zu verweigern, entspricht nicht unserem basisdemokratischen Verständnis. Doch da Sie das Gespräch mit uns ablehnen, führe ich hier schriftlich aus, was ich gerne persönlich mit Ihnen besprochen hätte.
Lassen Sie mich zu Beginn die gegenwärtige Situation am Groß Glienicker See noch einmal ausführlicher zusammenfassen: Der Wasserstand ist rapide gefallen, der natürlich gewachsene Röhrichtgürtel ist in mehreren Bereichen durch die dauernde Begehung von Badegästen und Touristen massiv geschädigt. In dieser Situation sind es vor allem die Stege der Seeanlieger, die als psychologische und bauliche Barrieren fungieren und den Uferbewuchs schützen. Gut zu beobachten ist das beispielsweise am Steg der DLRG, Badestelle Moorloch (rechter Hand). Aufgrund des Wasserrückgangs steht der Steg trocken und schützt trotzdem bisher wirkungsvoll den angrenzenden Röhrichtbereich vor Begehung.
Linker Hand fehlt eine solche Barriere, entsprechend wurde dort das Röhricht bereits zertreten und massiv verdrängt (siehe Petition, Seite 2 und 3). Auf den Schutz durch die Stege zu verzichten, wäre in der momentanen Situation mehr als leichtfertig. Ganz davon abgesehen würde der von Ihnen geforderte Abbau der von Röhricht umwachsenen Stege den Uferbewuchs zusätzlich schädigen. Mit unserem Angebot zu einer ehrenamtlichen Uferpflege wollen wir das Wachstum des Röhrichts unterstützen, da ein gesunder Bestand Biodiversität und Wasserqualität sichert.
Sie müssen anerkennen, dass sich die Situation am See im Laufe der vergangenen Jahre sehr verändert hat. Die ursprüngliche Intention Ihrer Behörde (noch vor Ihrer Zeit als Stadtrat), mit der Beseitigung der Seestege den Uferbereich zu schützen, greift nicht mehr. Im Gegenteil: Sollten mit dem Abbau der Stege die baulichen und auch psychologischen Barrieren fallen, wird das gesamte Ufer nach und nach nicht nur betreten, sondern ausgiebig – auch von der Wasserseite aus – genutzt werden. Unter diesen Voraussetzungen wird sich die vorhandene Ufervegetation nicht halten können.
Noch ist er da, der Röhrichtgürtel im Bereich unserer Grundstücke. Er muss also nicht, wie Sie schreiben, erst mittelfristig entstehen. Vielmehr ist der vorhandene Bewuchs zu schützen! Kämen Sie zu einem Ortstermin und ließen sich von uns die entsprechenden Bereiche zeigen, würden Sie die Begehung von der Landseite her und auch das regelmäßige Ansteuern des Ufers mit Booten wasserseits nicht in dieser fahrlässigen Weise unterschätzen (in diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch daran erinnern, dass sich am See eine hochfrequentierte Ruder- und Tretbootvermietung befindet).
Alle bisher am Groß Glienicker See vorgenommenen Absperrmaßnahmen – sowohl an der Badestelle Moorloch wie auch an der Pferdekoppel – haben sich als unwirksam erwiesen und konnten die ungeregelte Nutzung nicht verhindern (siehe Petition Seite 3 bis 5). Sie räumen selbst ein, dass eine Wegeverbindung zum Schutze des Naturraumes kontraproduktiv ist. Und nun wollen Sie – im absoluten Widerspruch dazu – eine solche mit Ihrem Serviceweg selbst vorgeben?
Ihre Entscheidung, auf dem Abriss der Stege zu bestehen, ist der falsche Weg. Damit geben Sie den See für eine touristische Komplettnutzung frei und riskieren gleichzeitig eine erhebliche Verschlechterung der ökologischen Situation, was Ihnen durch das auferlegte Verschlechterungsverbot untersagt ist.
Sie weisen in Ihrem Antwortschreiben vor allem auf die Auseinandersetzungen zu den Seestegen hin. Lassen Sie mich deshalb an dieser Stelle auch darauf eingehen.
Ihre Behörde führt zur Begründung für den Abriss der Stege die Naturschutzgesetze sowie den BVV-Beschluss und das Steganlagenkonzept des Bezirks an. Sie haben sich bei Amtsantritt ohne eigene Prüfung vor Ort mit dieser vorgefundenen Situation arrangiert. Richtig ist, dass die angeführten Regularien gar nicht greifen, weil diese sich auf Stegneubauten beziehen, deren Errichtung in einem geschützten Röhrichtbereich verhindert werden soll. Die Steganlagen am Groß Glienicker See existieren dagegen seit mehr als 90 Jahren, sie sind von einem breiten Röhrichtgürtel umwachsen und damit in den natürlichen Uferbewuchs integriert.
Von diesen juristischen Gegebenheiten abgesehen, möchte ich Sie daran erinnern, dass Ihre Behörde neue Steggenehmigungen und -bauten im Röhrichtbereich an der Badestelle Moorloch für die DLRG, den Anglerverein Fischwaidler und die Bootsvermietung der Gaststätte Bootshaus (inklusive restauranteigenem Strand) genehmigt hat. Auch eine Tauchbasis wurde bewilligt. Diese Entscheidungen des Bezirksamts verstoßen direkt gegen die eigenen aufgestellten Zielvorstellungen Ihrer Behörde.
Sie stehen im Widerspruch zu den eben zitierten Regularien und lassen sich mit der gleichzeitigen Abrissaufforderung von Stegen, die seit Jahrzehnten zum Uferbild gehören, nicht vereinbaren.
Wie in unserer Petition beschrieben, sind unsere Stege seit 1929 ein integraler Bestandteil des Siedlungskonzepts der Wochenendsiedlung West. Die Grundstücke am See wurden als Bootsparzellen beworben und mit dem Recht auf einen privaten Wasserzugang verkauft. Entsprechende Genehmigungen wurden damals nachweislich erteilt. Die Steganlagen sind also keine „Schwarzbauten“, sie wurden nicht illegal errichtet, wie gerne behauptet wird. Dass durch den Krieg und die Gründung der DDR viele Unterlagen in den Behörden nicht mehr im gewünschten Umfang vorhanden sind, ist nicht den Bürgern anzulasten. Ganz davon abgesehen liegen genügend historische Nachweise vor, die unsere Argumentation bestätigen.
In der angeführten juristischen Auseinandersetzung wurde lediglich die Rechtswirksamkeit der Kündigung unserer Pachtverträge bestätigt. Entschieden wurde nicht über die Rechtmäßigkeit der Stege. Zusammengefasst: Mit dem Kauf des Grundstücks haben die Käufer seinerzeit das Recht auf einen Seesteg und auf einen privaten Wasserzugang erworben. Deshalb sind die Stege auch heute noch da. Juristisch waren nicht die Stege Thema, sondern die Aufhebung von Pachtverhältnissen mit dem früheren privaten See-Eigentümer.
Die schädlichen Auswirkungen von Steganlagen werden in der einschlägigen Literatur – und darauf beziehen Sie sich – immer im Zusammenhang mit Motorboot- oder Fährverkehr beschrieben, deren Wellenschlag und Sogwirkung das Röhricht schädigen können. Auch das Steganlagenkonzept des Bezirks geht von einer Funktion als (Motor-)Bootliegeplatz aus. Am Groß Glienicker See ist Motorbootverkehr von jeher untersagt, auch Fährverkehr findet nicht statt. Damit lassen sich die Ausführungen nicht auf den Groß Glienicker See anwenden, denn dieser See ist mit keinem anderen Berliner Gewässer vergleichbar.
Wie auch an der Havel (Imchen), hat sich an den von Stegen beräumten Flächen kaum Röhricht angesiedelt, stattdessen lässt sich der stärkste Röhrichtbewuchs an den Stellen mit Seestegen nachweisen.
Am Groß Glienicker See konnte sich trotz und auch wegen der Stege sich in den Bereichen vor den Anliegergrundstücken das Röhricht über die Jahre gut entwickeln. Diesen Tatsachen darf man sich doch nicht verschließen! Zumindest dann nicht, wenn es um den See und seine ökologische Beschaffenheit geht!
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass bisher keine Untersuchungen vorliegen, die ausführen, welche Art der Störung von den Stegen hier am Groß Glienicker See überhaupt ausgehen soll.
Kernproblem für den Naturschutz sind nicht die Seestege, sondern die touristische Übernutzung am Groß Glienicker See!
Der BVV-Beschluss aus dem Jahr 2013 ist ein rein politischer Wille, dem Sie nicht zwingend nachgehen müssen. Schon gar nicht, wenn dessen Umsetzung dem Groß Glienicker See schadet und dem tatsächlichen Naturschutz entgegensteht oder sogar widerspricht. Sie führten selbst aus, dass ein durchgehender Uferwanderweg – wie von der Politik gefordert – aus naturschutzfachlicher Sicht auf der Berliner Seite nicht umgesetzt werden kann. Entsprechend besteht so auch keine Notwendigkeit, die vorhandenen Stege abzureißen.
Die Seeanlieger haben bereits vorgeschlagen, eine minimalinvasive notwendige Pflege des Uferbereichs vor ihren Grundstücken ehrenamtlich in Absprache mit Ihrer Behörde zu übernehmen. Einer Neuregelung im Hinblick auf die Nutzung der Seestege – angepasst an notwendige Naturschutzziele – stehen wir offen gegenüber, wir unterstützen dies sogar ausdrücklich.
Völlig unverständlich ist daher, dass Sie unserer Argumentation und den damit verbundenen Angeboten mit Gesprächsverweigerung entgegentreten und stattdessen mit neuen Klagen drohen.
Wir, die direkten Anlieger, wollen kurz- und langfristig unseren Beitrag zum Erhalt des natürlichen Seeufers beitragen. Warum lassen Sie uns nicht aktiv werden und nehmen unseren Einsatz für den See an? Wir wollen gemeinsam mit Ihnen das Beste für den Groß Glienicker See erreichen! Und Sie?
Unser Angebot einer Ortsbegehung mit Ihnen gemeinsam besteht weiterhin, denn wir möchten mit Ihnen und Ihrer Behörde endlich produktiv ins Gespräch kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Anjuschka Wagner
(Vorsitzende der BiPGGS e.V.)
Unser Anschreiben finden Sie nochmal hier.
Bürgerinitiative-Pro-Groß-Glienicker-See e.V. (BiPGGSee e.V.) | www.pro-gross-glienicker-see.info | 14089 Berlin – Kladow